Werden Frauen bei der Bewerbung diskriminiert ?

Noten, Alter, Sozialkompetenzen – offenbar unwichtig: Wenn sich Frauen bewerben, werden sie systematisch benachteiligt. Wissenschaftlerin Dorothea Kübler hat das Vorgehen von Personalchefs untersucht.

Ein Interview von Kristin Haug

SPIEGEL: Frau Kübler, Sie haben zu Bewerbungen geforscht und festgestellt, dass Personalverantwortliche die Lebensläufe von Frauen schlechter bewerten als die von Männern. Woran liegt das?

Kübler: Wir haben Personalverantwortlichen von Ausbildungsberufen jeweils fünf Lebensläufe vorgelegt. Jeder hat nur Bewerbungen eines Geschlechts erhalten. Wir konnten feststellen, dass die Personalverantwortlichen die Bewerbungen der Frauen im Durchschnitt deutlich schlechter bewertet haben als die von Männern. Das entspricht dem Effekt einer ganzen Schulnote. Bewerberinnen hatten also bei gleicher Note viel schlechtere Chancen, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden als Bewerber.

SPIEGEL: Vielleicht war das Geschlecht ja gar nicht ausschlaggebend?

Kübler: Wir haben bei den fiktiven Lebensläufen folgende Faktoren variiert: die Abschlussnote, das Geburtsdatum, den Beruf der Eltern, das Sozialverhalten und die unentschuldigten Fehltage in der Schule sowie die momentanen Jobs der Bewerber. Wenn man diese Faktoren konstant hält, dann zeigt sich, dass das Geschlecht einen starken Effekt hat auf die Bewertung.

SPIEGEL: Die Bewerbungen von Männern mit einem schlechten Schulabschluss wurden also besser bewertet als die von Frauen mit einem besseren Schulabschluss?

Kübler: Genau.

SPIEGEL: Wie erklären Sie sich das?

Kübler: Die genauen Ursachen kennen wir nicht. Aber wir haben beobachtet: Je mehr Männer in einer Branche arbeiten, desto schlechter wurden die Bewerbungen der Frauen bewertet. Vielleicht denken die Personalverantwortlichen in den von Männern dominierten Branchen, dass Frauen das Arbeitsklima dort stören könnten. Vielleicht meinen sie aber auch, Frauen könnten die Arbeit nicht so gut erledigen wie Männer.

SPIEGEL: In welchen Branchen haben es Frauen besonders schwer?

Kübler: In der Baubranche wurden die Bewerbungen von Frauen am schlechtesten bewertet. Hier hatten Frauen also die schlechtesten Chancen, im Bewerbungsprozess weiterzukommen.

SPIEGEL: Angesichts des Fachkräftemangels sollten sich Unternehmen so etwas eigentlich nicht mehr leisten können.

Kübler: Der Fachkräftemangel spielt hier schon eine Rolle: Personalverantwortliche haben die Bewerbungen von Frauen umso besser bewertet, je schwieriger es für sie war, überhaupt Auszubildende zu finden. In diesen Fällen können es sich Unternehmen offenbar nicht leisten, auf Frauen zu verzichten.

SPIEGEL: Welche Unterschiede gibt es zwischen den Berufen?

Kübler: Je besser ein Beruf angesehen ist, desto besser schnitten Frauen ab. So wurden Bewerbungen von angehenden Programmiererinnen – im Vergleich zu den Männern – weniger schlecht bewertet als die von angehenden Kellnerinnen.

SPIEGEL: Haben die Personalverantwortlichen die Bewerbungen von Männern, die sich in Frauenberufen bewarben, auch schlechter bewertet?

Kübler: Nein. Allerdings wurden die Bewerbungen von Frauen weniger schlecht bewertet, wenn es sich um eine Branche handelte, in der vorwiegend Frauen arbeiten – etwa in der Pflege.

 

Zur Person von

Dorothea Kübler, 53, ist Direktorin der Abteilung Verhalten auf Märkten am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung sowie Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität Berlin. Sie forscht unter anderem zu Entscheidungsverhalten und Marktdesign.

Quelle: Spiegel Online

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