Früher waren Lebensläufe noch tabellarisch, Anschreiben begannen mit dem Satz „Hiermit bewerbe ich mich auf die von Ihnen ausgeschriebene Stelle“. Unter „EDV-Kenntnisse“ gab man vor, mit Word und Excel umgehen zu können. Und in Fremdsprachen, die man bereits in der 9. Klasse abgewählt hatte, attestierte man sich „Grundkenntnisse“.
Wer heute überzeugen will, muss sich mit seinem Lebenslauf von anderen Bewerbern abheben – allein mit einer Tabelle ist das nicht möglich. Und Sprachen, die man nicht beherrscht, sollten besser unerwähnt bleiben.
Wie sehen die Bewerbungen der Zukunft aus?
Werden Unternehmen das Anschreiben und den Lebenslauf irgendwann abschaffen? Oder setzen sie Maschinen für die Auswahl ein? Ist Ghostwriting ein Modell der Zukunft?
Bewerbungsprozesse brauchen vor allem mehr Ehrlichkeit, findet Professor Malte Martensen. Der 37-Jährige lehrt Personalmanagement an der Internationalen Hochschule IUBH in Berlin. Und Ehrlichkeit fängt für ihn mit dem Geständnis an, dass man als Unternehmen die Anschreiben überhaupt nicht mehr liest.
„Dafür ist einfach keine Zeit. Sie sind letztlich ja auch nur ein Ausdruck dafür, wie gut jemand schreiben kann“, sagt Malte. Und was ist mit dem Lebenslauf? „Untersuchungen zeigen, dass ein Lebenslauf im Schnitt sieben bis elf Sekunden angeschaut wird. Länger nicht.“ Seinen Erfahrungen nach nutzen mittlerweile viele Unternehmen Künstliche Intelligenzen, um Bewerbungen nach bestimmten Schlüsselwörtern zu scannen. Aus gewissen Angaben, etwa über vorherige Arbeitgeber und Interessen, schließt die KI auf Persönlichkeitsmerkmale, die wichtig für den Job sind.
Üblich seien klassische Auswahlverfahren vor allem noch in sehr großen und mittelständischen Firmen. In der Start-up- und Tech-Szene würden wichtige Lebensdaten in einer Maske abgefragt, das Anschreiben häufig ausgespart. Bewerbungs-Ghostwriting sei also letztlich die Antwort der Bewerberinnen und Bewerber auf eine wenig zeitgemäße Anfrage, wie man sich präsentieren soll, sagt Malte.
Worauf kommt es überhaupt noch an?
„Heute ist das Wichtigste, dass die Leute mit ihrer Persönlichkeit zum Unternehmen passen.“ – Malte Martensen, Professor für Personalmanagement
Das herauszufinden, müsse das Ziel des Bewerbungsprozesses sein. Das Credo lautet: Hire for attitude, train for skills. „Die Aufgaben am Arbeitsplatz ändern sich immer schneller und werden spezifischer. Fähigkeiten lassen sich im Job erlernen, die richtige Einstellung nicht“, sagt Malte.
Um zu entscheiden, wer überhaupt zum persönlichen Gespräch eingeladen wird, braucht es seiner Einschätzung nach weiterhin den Lebenslauf oder das Xing-Profil. „Wichtig ist dann, im Gespräch sogenannte ‚Critical Incidents‘ abzufragen, also Beispiele in der Vergangenheit, in der ein Bewerber eigenständiges Arbeiten bewiesen hat. Vergangenes Verhalten ist der beste Indikator für zukünftiges Verhalten.“
Um herauszufinden, wie kreativ ein Bewerber ist, würde Malte die Frage stellen: Welche Dinge kann man mit einer Decke machen? „Das ist ein Klassiker. Wirklich kreative Leute können 20 Sachen in zwei Minuten aufzählen. Wer nicht kreativ ist, wird bei unter fünf stehenbleiben.“
Statt jeden Bewerber persönlich einzuladen, können Unternehmen sich mit Video-Interviews aushelfen, die wiederum von einer Künstlichen Intelligenz, etwa dem Programm HireVue, ausgewertet werden. Ein Personaler muss dafür zunächst ein Zielprofil erstellen. Beispielsweise wird eine Vertrieblerin gesucht, die extrovertiert und gut vernetzt sein soll. Ein Algorithmus scannt die Videosequenz, in der die Bewerberin sich präsentiert, nach Wortwahl, Sprachmelodie, Gestik und Mimik. Anschließend wird ein Score ermittelt, der angibt, wie gut sie zu dem Job passt.
Bei vielen Unternehmen sei der Auswahlprozess immer noch sehr klassisch, weiß Malte: Aus Hunderten Bewerbern werden diejenigen mit den besten Abschlüssen herausgepickt. Er sieht diese Praxis kritisch: „Ich glaube, große Unternehmen müssen aufpassen, dass sie den Wettbewerbsvorteil des großen Namens nicht überinterpretieren.“ Im Sinne der Kreativität und den immer kürzer werdenden Innovationszyklen werde es immer wichtiger, dass auch die Mitarbeiterinnen diverser würden. „Da hilft es nicht, sich nur die Absolventen mit den Top-Abschlüssen einzustellen.“
Wieder gilt, so Malte:
„Die Haltung einer Person ist das Entscheidende.“
Ausbildung – und dann?
Gut ausgebildete Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind in Zeiten des Fachkräftemangels sehr gefragt. Unternehmen müssen bereits jetzt vermehrt um ihre Mitarbeiter werben – und nicht mehr andersherum. In Zukunft könnte es für junge Arbeitskräfte also immer wichtiger werden, online gut auffindbar zu sein – und ansprechende Profile auf Karrierenetzwerken wie LinkedIn oder Xing zu besitzen.
Bei Online-Profilen zählen vor allem Fähigkeiten und Berufserfahrung, sagt Malte. „Natürlich sind auch die Anzahl und Qualität der Kontakte im Netzwerk wichtig. Alles sollte kurz und knackig dargelegt werden, hilfreich können auch Arbeitsproben sein, die mittlerweile auch mitangegeben werden können.“