Kauft die Personalabteilung nur von „Siegern“

Kauft die Personalabteilung nur von „Siegern“

auch wenn es sich bei einem Vorstellungsgespräch um eine schauspielrisch herausragende Leistung dreht.

Der eine Bewerber ist seriös, leise, aufrichtig. Der andere ein Schaumschläger. Und wer bekommt den Job? Eben. Warum lassen sich Personaler so leicht blenden? Quelle spiegel online

Bewerbung mit Getöse: Die Lauten gewinnen viel zu oft

Die Kandidaten kamen nacheinander ins Vorstellungsgespräch für einen Posten im Management. Beide waren um die 40, hatten BWL studiert und Führungserfahrung gesammelt. Der erste Bewerber, mit sparsamer Körpersprache, dachte vor jeder Antwort nach. Er wirkte aufrichtig, sogar bei der Frage nach seinen Schwächen („Ich brauche meist eine gewisse Auflaufzeit, danach mache ich meine Arbeit richtig gut“). Außerdem äußerte er – nach seiner Meinung gefragt – leise Zweifel an einer geplanten Strategie seines potenziellen Arbeitgebers.

Der zweite Bewerber gestikulierte wie ein Dirigent, sang Loblieder auf die Firma und erklärte seinen (holprigen) Lebenslauf zur Erfolgsgeschichte. Auf jede Frage ratterte er lautstarke Antworten, die den Raum mit Optimismus füllten, und warf mit englischen Management-Vokabeln um sich. Als größte Schwäche nannte er: „Ich stecke die Ziele immer so hoch, dass nicht alle mitkommen. Ich muss auf die Schwächeren mehr Rücksicht nehmen.“

Und wer bekam den Job? Der Schaumschläger! Als externer Beobachter des Gesprächs hatte ich mich klar für Kandidat 1 ausgesprochen, seine Expertise und sein Charakter hatten mich überzeugt. Doch nun musste ich mir sagen lassen, er habe „unsicher gewirkt“ und „nicht den nötigen Optimismus verströmt“.

„Er war einfach ehrlich“, hielt ich dagegen.
Der Personalchef: „Wenn er so schon im Vorstellungsgespräch auftritt, wie soll das dann im Alltag laufen?“
„Er hat ohne Theaterdonner gesprochen. Na und?“
„Sein langes Schweigen zwischen den Fragen: Das war doch Unsicherheit!“
„Ist es denn schon ein Fehler, wenn man vorm Sprechen nachdenkt? Seine Antworten waren klug und realistisch. Vielleicht schätzen es die Mitarbeiter, einen Chef zu haben, auf dessen Wort sie sich verlassen können!“
„Er war ja nicht mal von unserer Strategie begeistert“, polterte der Personalchef. „Der Mann geht gar nicht.“

Niemand kam auf die Idee, dass der Auftritt des lauten Kandidaten nur eine schauspielerische Leistung war. Dabei stand sein Selbstbewusstsein im krassen Missverhältnis zu seinen bisherigen Leistungen und Zeugnissen.

Verstand und Realismus müssen draußen bleiben

Viel zu oft erlebe ich, dass Firmen ihre Bewerber und Mitarbeiter nicht nach Leistung und Seriosität beurteilen – sondern nach dem Getöse ihres Auftritts. Wer das Blaue vom Himmel verspricht, hängt die vermeintlich blassen Kollegen ab. Und als „blass“ gilt schon, wer ehrlich ist und nicht übertrieben laut. Rhetorik schlägt Redlichkeit.

Jedes zweite Meeting liefert den Beweis: Die klügsten Anmerkungen kommen meist von Fachkräften, die in der Materie zu Hause sind. Was sie sagen, hat Hand und Fuß. Aber oft beschränken sie sich auf Inhalte, ohne rhetorische Schleife. Und kaum zweifeln sie etwa an einer allzu optimistischen Terminzusage, räumt ein Lautsprecher die Bedenken weg – mit ein paar Pirouetten, ohne jeden Sachverstand: „Natürlich ist der Liefertermin zu halten. Wenn Sie letzte Woche im Lotto gewonnen haben, heißt das nicht, dass Sie diese Woche wieder sechs Richtige haben. Und wenn wir einmal den Termin verfehlt haben, heißt das auch noch lange nicht, dass er erneut wackelt – im Gegenteil!“

Wer einfach nur die (kritische) Wahrheit sagt, gilt schon als Pessimist und Spaßbremse. Wir leben im Zeitalter der Maulhelden: Trommeln verspricht Erfolg, Realismus und Bescheidenheit sind out.

Eine Personalentwicklung nach dem Feuerwehr-Prinzip trägt dazu bei: Wer am lautesten Alarm schlägt, wer sich anpreist und vehement fordert, wird als Erster bedient. Anstelle der erbrachten Leistung wird die versprochene belohnt, anstelle des realen Potenzials das behauptete. Die Selbstverkäufer ergattern Traumjobs, streichen Gehaltserhöhungen ein und steigen in Führungspositionen auf, wo sie nach dem Ähnlichkeitsprinzip befördern. Weitere Selbstverkäufer rücken nach, Verstand und Realismus müssen draußen bleiben.

Lob der Leisen

Schlechte Karten für Mitarbeiter, die dieses Theater nicht mitmachen: die Leisen, die Bescheidenen, die Ehrlichen. Man stülpt ihnen die Bezeichnung „introvertiert“ über, als wäre das ein Charaktermangel. Dabei fließt ihre Energie gerade nicht in die Selbstdarstellung – sondern in gute Arbeit. Kluge Firmen wissen: Gemischte Teams, auch Führungsteams, aus lauten und leisen Menschen, sind am erfolgreichsten. Hier ergänzen sich die jeweiligen Stärken und Schwächen.

Wir brauchen wieder eine Unternehmenskultur, in der die Leistung an sich zählt, nicht die Verpackung. In der nach Qualifikation statt nach Rhetorik eingestellt und befördert wird. Eine Kultur, die leise Kritik mehr schätzt als heiße Luft. Arbeit muss an Ergebnissen gemessen werden, nicht an Sprüchen.

Übrigens: Der laute Management-Bewerber hat seine Probezeit nicht überlebt. Zufällig wurde bekannt, wie er aus seiner alten Firma geschieden war: Er hatte Zahlen frisiert und war damit aufgeflogen. Im Zeugnis gab es eine Andeutung, die sein Auftritt überspielt hatte. Tröstlich: Auch Maulhelden fallen gelegentlich auf die Schnauze.


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